Mitarbeiterbeteiligung in der Gastronomie: ein Weg aus der Personalkrise?

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Mitarbeiterbeteiligung

In vielen großen Unternehmen gibt es Beteiligungsmodelle für die Mitarbeitenden, von Boni bis zu Unternehmensanteilen. In der Gastronomie ist dies noch die absolute Ausnahme. Doch vor dem Hintergrund des immer größer werdenden Personalmangels und dem Wettbewerb um Fachkräfte können Beteiligungsmodelle ein spannendes Instrument werden, um Mitarbeitende zu finden und vor allem zu binden. Eine Einführung ins Thema.

Dass der Personalmangel eine große Herausforderung für die Branche ist, ist hinlänglich bekannt. Durch die Corona-Pandemie ist das Problem noch größer geworden, da viele Fachkräfte in andere Branchen abgewandert sind. Rund 60 Prozent der Betriebe beklagen einen akuten Mitarbeitermangel, ergab eine Umfrage des DEHOGA im Juni 2022.

Ansätze und Möglichkeiten, wie Gastro-Unternehmen ihren Weg aus der Krise finden können, wurden hier im Blog schon in verschiedener Form aufgezeigt: Ideen fürs Teambuilding und moderne Leadership beispielsweise oder die Elemente sozialer Nachhaltigkeit in der Gastronomie, die insbesondere den Mitarbeitenden zugute kommen, ebenso Einstehen für seine Bedürfnisse und Ziele als Gastro-Gemeinschaft über den einzelnen Betrieb hinaus.

An dieser Stelle soll es um das Thema Mitarbeiterbeteiligung gehen – also Möglichkeiten, das Team am Unternehmen teilhaben zu lassen mit dem Ziel, mehr Bindung und mehr Sicherheit für beide Seiten zu schaffen. Hier sind zunächst einmal zwei Formen zu unterscheiden: die materielle und die immaterielle Form der Beteiligung. Die erste ist eine Beteiligung am Kapital bzw. dem Erfolg des Unternehmens, die zweite zielt auf Mitbestimmungs- und Entscheidungsrechte ab.

 

Immaterielle Mitarbeiterbeteiligung

Die immaterielle Form der Mitarbeiterbeteiligung ist in der Gastronomie in der Praxis häufig anzutreffen: Oft müssen Entscheidungen kurzerhand getroffen werden, ganz pragmatisch zum Beispiel, ob ein Gast eine Entschädigung erhält oder ein Essen aufs Haus – und allein dies ist schon eine Form der Budgetverantwortung. Ebenso fallen Entscheidungen der Küche, was und wieviel eingekauft wird, in diesen Bereich. Im Prinzip immer dann, wenn nicht erst Rücksprache mit der Geschäftsführung gehalten werden muss, weil die Mitarbeitenden hier Entscheidungsrecht haben. Es geht aber auch um Mitentscheidung bei komplexeren Themen wie z.B. den generellen Arbeitsbedingungen und -abläufen, den Arbeitszeiten, bei Bewerbungen oder in der Gestaltung des Angebots bzw. der Leistungen für die Gäste.

Die immaterielle Form der Beteiligung wird auch als betriebliches Vorschlagswesen (BVW) bezeichnet und der Name sagt es bereits: Es geht darum, Mitarbeitenden das Recht und die Möglichkeit zu geben, ja sie sogar dazu zu motivieren, eigene Ideen einzubringen – in punkto Angebot und Sortiment, bezogen auf betriebliche Abläufe oder gar die langfristige Strategie des Gastronomiekonzepts. Dass es sehr sinnvoll ist, das BVW im Unternehmen zu verankern und Strukturen dafür zu schaffen, dass Ideen, Impulse, konstruktive Kritik und Co. aus dem Team heraus kontinuierlich und aus einem Antrieb heraus kommen, liegt auf der Hand:

✓ es stärkt die Motivation, fördert die Weiterentwicklung und steigert die Kompetenz der Mitarbeitenden
 es bindet sie stärker ans Unternehmen, wenn sie erkennen, dass ihre Vorschläge und Verbesserungsideen Gehör finden und umgesetzt werden
✓ es macht die Produkte und Leistungen des Unternehmens, sprich das Angebot, den Service und die Qualität für die Gäste besser
✓ es hilft, versteckte Kosten aufzuspüren bzw. verborgenes Umsatzpotential zu erschließen
 es steigert das Wir- und Teamgefühl und verringert „Dienst nach Vorschrift“ oder gar innere Kündigung
- und vieles mehr

 

Immaterielle Mitarbeiterbeteiligung braucht Struktur und Anreize

Immaterielle Mitarbeiterbeteiligung mag im gastronomischen Alltag oft aus der Situation heraus entstehen, dennoch braucht es einen klaren Ablauf dafür,


 in welcher Form Vorschläge gemacht werden
✓ wie diese gesammelt und besprochen werden
✓ wie ein „Onboarding“ umsetzbarer Vorschläge in die Prozesse verläuft
✓ was mit Vorschlägen passiert, die aktuell nicht umsetzbar sind (z.B. Wiedervorlage)
✓ und welche Anreize es für die Mitarbeitenden gibt, Vorschläge zu machen


Solche Anreize können zum Beispiel finanzielle Zuwendungen sein, aber auch zusätzliche Freizeit oder Sachgüter. Was man zweifellos festhalten kann: Die immaterielle und die materielle Mitarbeiterbeteiligung sind keine getrennten Welten, sondern eng miteinander verbunden. Ein strukturiertes und gepflegtes „betriebliches Vorschlagswesen“ ist die Basis für ein finanzielles Beteiligungsmodell: Kommen viele gute Vorschläge aus der Belegschaft, die den Betrieb besser machen, so sind die Erfolgsaussichten des Unternehmens größer. Je mehr Erfolg, desto größer der budgetäre Spielraum für eine materielle Beteiligung. Und je mehr Spielraum, desto mehr Möglichkeiten gibt es wiederum auch, die immaterielle Mitarbeiterbeteiligung zu fördern.

Welche Formen der materiellen Beteiligung gibt es? Grundsätzlich werden zwei Formen unterschieden: Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung und Mitarbeiter-Erfolgsbeteiligung.

 

Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung: Im Gastgewerbe noch selten

Die Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung sieht vor, dass Mitarbeiter Anteile am Unternehmen erhalten. Es können Aktien sein, Genussscheine oder GmbH-Anteile. Sie sind dann Mitgesellschafter, profitieren von Auszahlungen/Ausschüttungen, tragen aber auch das Risiko eines Kapitalverlusts mit, sollte der Betrieb in Schieflage oder gar Insolvenz/Pleite geraten und keine entsprechend Absicherung bestehen. Es gibt sowohl Beteiligungen mit Stimmrecht als auch stille Beteiligungen ohne Entscheidungs- und Mitbestimmungsrecht.

Solche Beteiligungsmodelle sind eher in großen Unternehmen zu finden. Bislang gibt es nur sehr wenige Beispiele aus dem Gastgewerbe, die ein solches Modell anbieten. Überhaupt gibt es aktuell bei etwa 3.500 der rund 3,2 Millionen Unternehmen im Lande solche Beteiligungsangebote. Perspektivisch könnte sich das ändern: Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung steuerliche Verbesserungen für die finanzielle Mitarbeiterbeteiligung eingeführt, u.a. eine Vervierfachung des Steuerfreibetrags von 360 auf 1.440 Euro, um mehr Betriebe zur Einführung eines solchen Beteiligungsmodells zu motivieren.

 

Zukünftige Anteile – spannend für Gastro-Startups?

An dieser Stelle sei auf zwei Sondermodelle hingewiesen, die es mithin auch kleineren bzw. sich noch im Aufbau befindlichen Unternehmen möglich machen, ihre Mitarbeitenden mit Anteilen zu beteiligen und an sich zu binden: ESOP steht für Employee Stock Ownership Plan und bedeutet, dass Mitarbeiter eine vertraglich geregelte Option auf Anteile erhalten. Sie können diese später in Aktien umwandeln – zum Beispiel dann, wenn das Unternehmen Erfolg hat und Geld verdient. Mit VSOP wiederum ist in diesem Falle nicht die Cognac-Klassifizierung gemeint, sondern die virtuelle Variante des ESOP, der Virtual Stock Ownership Plan: Statt echter gibt es hier virtuelle Anteile. Vertraglich wird festgelegt, dass es bei Eintreten bestimmter Bedingungen – also wenn sich das Unternehmen positiv entwickelt und Gewinne abwirft oder verkauft wird – eine Auszahlung gibt. Beide Varianten, ob nun echte oder mit virtuelle Unternehmensanteil-Optionen, können auch interessant für Gastro-Startups sein, die noch nicht viel Gehalt zahlen können, aber bei Erfolg – und dem Mitwirken des Teams daran – zuvor festgelegte Prämien in Aussicht stellen. Der Vorteil im VSOP liegt darin, dass es geringeren administrativen Aufwand hat. Auch diese Modelle sind im Gastgewerbe bislang noch kaum anzutreffen.

 

Mitarbeiter-Erfolgsbeteiligung: das praxistauglichste Modell

Die Mitarbeiter-Erfolgsbeteiligung ist aktuell die für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), wie es Gastronomien in aller Regel ja sind, das wohl spannendste und praxistauglichste Modell. Sie sieht vor, dass die Mitarbeitenden eine vom Erfolg (z.B. Steigerung des Gewinns, Erhöhung des Umsatzes, mehr Kapazitätsauslastung) abhängige Sonderzahlung überwiesen bekommen. Wird der Gewinn am Jahresende zugrunde gelegt, so spricht man von Gewinnbeteiligung. Es gibt ferner auch eine Ertragsbeteiligung, bei der also der Ertrag Basis ist, sodass die Sonderzahlung ggf. auch im Falle eines Verlustjahres getätigt werden muss. Auch gibt es die Leistungsbeteiligung, bei der bestimmte vorher festgelegte Ziele oder eine bestimmte erbrachte Arbeitsleistung als Bemessungsgrundlage fungieren. Diese beiden Formen sind in der Praxis jedoch eher schwierig umzusetzen. Die Gewinnbeteiligung ist daher die häufigste Form. Dabei ist es sowohl möglich, allen Mitarbeitenden die gleiche Prämie auszuzahlen, also das Gießkannen-Prinzip anzuwenden. Häufig jedoch wird dafür ein Schlüssel angewendet, der Faktoren wie Jahre der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, den Stundenvertrag oder das Bruttogehalt einbezieht – was insgesamt fairer ist.

Hier schließt sich nun ein Kreis: Wissen die Mitarbeitenden, dass sie vom Erfolg des Unternehmens finanziell (über den Lohn hinaus) partizipieren, werden sie sich tendenziell stärker engagieren, auch am Unternehmen mitzuarbeiten, Verbesserungsvorschläge zu machen und zu helfen, Prozesse zu optimieren. Materielle und immaterielle Beteiligung greifen also, wie bereits beschrieben, ineinander.

 

Spannender Ansatz, der eine individuelle Betrachtung benötigt 

Fazit: Mitarbeitende am Unternehmen zu beteiligen, materiell wie immateriell, kann auch für die Gastronomie ein interessantes Modell sein. Es steigert die Bindung und die Identifikation mit dem Betrieb, wenn es ein Stück weit auch das Unternehmen der Mitarbeitenden selbst ist, sie also im wahrsten Sinne des Wortes Anteil daran haben. Im Sinne des Employer Branding schafft Beteiligung echte Werte, die sowohl für das bestehende Personal als auch für Bewerbende attraktiv sind. Zweifellos sind damit einige Herausforderungen verbunden – so stellen sich im Einzelnen viele rechtliche und steuerliche Fragen, für die es entsprechende Unterstützung juristischer Art bzw. mit dem Steuerberater braucht.

Auch hängt es von der jeweiligen Struktur und Beschaffenheit des Betriebs ab, was realistisch und sinnvoll ist: Ein Saisonbetrieb mit vielen Aushilfen ist ganz anders als ein Ganztagesbetrieb, der hauptsächlich Festangestellte hat. Grundsätzlich aber ist es ratsam, sich mit solchen Formen der Partizipation und Teilhabe zu beschäftigen und auszuloten, welche Potentiale für den eigenen Betrieb hier vorhanden sind.

Und ganz wichtig: Dieses Ausloten ist Teamwork. Schließlich soll die Entwicklung des Unternehmens durch die Mitarbeiterbeteiligung gefördert und nicht gebremst werden. Es geht in erster Linie darum, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu befriedigen und Verbundenheit herzustellen.