Fermentieren in der Gastronomie, Teil 2: Das Herauslösen des Geschmacks

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Im zweiten Beitrag unseres Vierteilers geht es um den größten Vorteil der Fermentation für die Gastronomie: intensiverer, neuer, besserer Geschmack!

fermentieren
Dass dies so ist, weiß in Deutschland wohl kaum jemand so gut wie Markus Shimizu aus Berlin. Er hat 2017 das auf Fermentationsprodukte spezialisierte Unternehmen „Mimi Ferments“ gegründet. Schon Anfang der Nullerjahre hat der studierte Bildhauer privat damit begonnen, zu fermentieren – seine damals aus gesundheitlichen Gründen auf vegan umgestellte Ernährung wollte er mit Proteinen ergänzen und stellte selbst Tempeh (fermentierte Sojabohnen) her.

Verfeinerung durch Schimmel 

Schnell war seine Leidenschaft für das Thema geweckt und aus einem kleinen Hobby wurde ein großer Beruf – seit März 2022 hat sein Unternehmen „Mimi Ferments“ eine größere Produktionsstätte in den denkmalgeschützten Osram-Höfen im Berliner Stadtteil Wedding. Dort treffen wir den Unternehmer, der mit seinen Fermenten sehr viele namhafte Restaurants in Deutschland und darüber hinaus beliefert, aber auch Privatkunden. „Mimi Ferments“ stellt zum Beispiel diverse Würzpasten auf Basis von Koji her, dem in der japanischen Küche eine zentrale Rolle spielenden Schimmelpilz. Die Version mit Buchweizen schmeckt salzig-würzig, die Variante mit sizilianischer Limone hat zudem leicht säuerliche Noten. Ganz anders kommen die Amazake aus gedämpftem Reis aus Italien, Koji-Reis und Wasser daher, angereichert zum Beispiel mit der japanischen Zitrusfrucht Yuzu oder Holunderblüten aus Brandenburg – sie sind süß und floral. Kräftig herzhaft und deftig, sogar etwas an Käse erinnernd ist das Douchi aus bayerischen Bergerbsen. Die Misopasten mit ihren facettenreichen Aromen (rund 400 sind bei Miso bekannt) von fruchtig über malzig bis nussig sind für Saucen und Suppen, aber auch zum Marinieren von Fisch und Fleisch hervorragend geeignet.

Jede Geschmacksrichtung ist möglich     

In jede Geschmacksrichtung könne man Lebensmittel dank Fermentation schicken und so ganz neue gustatorische Erlebnisse erzeugen, erklärt Markus Shimizu: „Fermentation ist die Herauslösung des Geschmacks, der in den Produkten selbst steckt“, bringt er es auf den Punkt. Kaffee, Kakao, Brot, Käse, Bier – viele unserer Lebensmittel sind fermentiert. Bei „Mimi Ferments“ wird viel mit Hülsenfrüchten und Getreide gearbeitet, die in naturbelassener Form geschmacklich eher zurückhaltend bis neutral sind: Reis oder Sojabohnen beispielsweise. Sie entwickeln sich zu wahren Geschmacksfeuerwerken, weil die Enzyme des Ferments – zum Beispiel Koji, aber auch Hefen – langkettige Moleküle in Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten in kürzere spaltet. (Man könnte auch auch sagen „vorverdaut“, was wiederum, natürlich auch ein positiver Effekt, für die bessere Bekömmlichkeit fermentierter Produkte sorgt.)

Fermentiertes nehmen unserer Rezeptoren besser wahr

Dieses Aufspalten sorgt dafür, dass unsere Geschmacksrezeptoren die Aromen, die in den Produkten enthalten sind, deutlich besser wahrnehmen können. Und nicht nur das: Wenn die Moleküle im Fermentationsprozess verkleinert werden, entstehen auch neue Kombinationen und somit neue geschmackliche Komponenten. „Miso ist wie ein Reagenzglas oder ein kleiner Komposthaufen, in dem ganz viel passiert – es entsteht Salziges, Süße oder Umami und man erhält spannende neue Resultate“, erklärt Markus Shimizu. Hanf zum Beispiel erhalte durch Fermentation einen Geschmack, der an Eigelb erinnert – und ist so ein spannender pflanzlicher Ei-Ersatz. Reis erzeuge je nach Sorte erstaunliche Aromen, der mal an Kakao der Zimt und mal an Litschi oder Banane erinnert. Und eine Süßkartoffel schmecke, wenn fermentiert, ziemlich nach Capri-Sonne, erklärt Shimizu lachend. Da sollten Pâtissiers doch hellhörig werden!

Miso und Co. passen super zu deutscher Küche 

Auf diese Weise entstehen bei „Mimi Ferments“ ständig neue Produkte, die in Restaurants Speisen in Szene setzen. Trotz der japanischen Tradition, mit der das Unternehmen arbeitet, werden die Produkte weniger in japanischen Restaurants verwendet, wie man denken könnte – was daran liegt, dass sie meist große Mengen an Würzpasten oder Sojasaucen benötigen. Es sind statt dessen viele deutsche Restaurants, darunter so manches Sternerestaurant, die auf die hochwertigen Fermente aus dem Wedding setzen. „In der deutschen Küche geht es ums Herzhafte, und dafür kann man anstelle von Salz sehr gut salzig-herzhafte Fermente wie Sojasauce nehmen“, so Shimizu. „Misobutter auf Brot schmeckt einfach super. Zander oder Stör mit milden Fermenten mariniert, machen die Fische schmackhafter und zarter.

„Mit Fermentation kann man seine Speisen einzigartig gestalten und sich ein geschmackliches Alleinstellungsmerkmal aufbauen“, findet Shimizu. Zudem könne man mit Abschnitten, die fermentiert statt entsorgt werden, auch seinen Wareneinsatz senken. Das geht nicht nur mit Gemüse: „Aus Fischköpfen lässt sich hervorragend ein Garum machen“, so der Experte. Mit der würzigen Fischsauce lassen sich viele Speisen verfeinern, das wussten schließlich schon die Römer.
Fermentieren

Selbst fermentieren?

Wer selbst fermentieren möchte und noch kein Vorwissen mitbringt, ist Shimizus Meinung nach gut beraten, mit milchsauer Fermentiertem bzw. Milchsäuregärung – klassischer Weise mit Sauerkraut oder Rote Bete – zu beginnen und sich dann weiterzuentwickeln. Und wer sich fit in Sachen Miso und Co. machen will, kann bei „Mimi Ferments“ auch entsprechende Kulturen kaufen und Workshops besuchen.